Italien zieht jährlich über 67 Millionen ausländische Touristen an. Rund 80 % dieser beeindruckenden Zahl entfallen auf nur fünf Hauptregionen: Latium, Venetien, Toskana, Lombardei und Kampanien. Die klassische Route Rom-Florenz-Venedig ist seit Jahrzehnten ein fester Bestandteil jeder Italienreise und im Wesentlichen unverändert geblieben.

Jenseits dieses Dreiecks existiert jedoch ein anderes Italien – weniger protzig, aber auch mit deutlich weniger Touristen. Hier verläuft das Leben gemächlicher, und Kunsthandwerksläden sowie unverwechselbare gastronomische Traditionen haben sich erhalten.

Wir haben eine Übersicht über fünf unentdeckte italienische Reiseziele zusammengestellt und erklären, warum diese Sie interessieren könnten.

Warum Sie die Regionen Italiens besuchen sollten

Laut ENIT (Agenzia Nazionale del Turismo) hat sich der Zustrom von Reisenden, die Kleinstädte und ländliche Gebiete bevorzugen, zwischen 2022 und 2024 um 22 % erhöht.

Dafür gibt es mehrere Gründe. Erstens sind die Kosten für Unterkunft und Verpflegung an solchen Orten im Durchschnitt 40-60 % niedriger als in Touristenzentren wie Venedig oder Amalfi, und die Besucherdichte ist 10- bis 15-mal geringer.

Zweitens sind Kleinstädte und Dörfer aus kultureller Sicht interessant, weil sie Dialekte, Volkskunst und Formen der sozialen Kommunikation bewahren, die in großen urbanisierten Gebieten ihre Bedeutung verloren haben.

Die 5 besten Reiseziele im unentdeckten Italien

Das moderne Italien zählt über 7.900 Gemeinden, doch nur wenige Dutzend stehen im Zentrum des Massentourismus. Laut ENIT entfallen jedoch seit 2022 rund 35 % des Wachstums im Inlandstourismus auf Kleinstädte und ländliche Gebiete.

Orvieto (Umbrien)

Orvieto liegt im Südwesten Umbriens auf einem Plateau aus vulkanischem Tuffstein, etwa 325 Meter über dem Meeresspiegel. Die wichtigste Sehenswürdigkeit ist die Kathedrale Santa Maria Assunta, eines der herausragendsten Beispiele italienischer Gotik (Baubeginn 1290). Unter der Stadt erstreckt sich ein einzigartiger unterirdischer Komplex – Orvieto Sotterranea –, ein Netzwerk aus über 1200 in den Fels gehauenen Höhlen.

Die Wirtschaft der Stadt basiert auf handwerklicher Produktion und Weinbau: Hier wird der seit der Antike berühmte Orvieto Classico DOC-Wein hergestellt. Der Tourismus ist moderat – laut Schätzungen der Stadtverwaltung besuchen jährlich etwa 250.000 bis 300.000 Menschen die Stadt, also zehnmal weniger als Florenz. Orvieto ist von Rom oder Florenz aus mit dem Zug in etwa 1,5 Stunden erreichbar.

Brisighella (Emilia-Romagna)

Brisighella ist eine kleine Gemeinde im Lamone-Tal in der südöstlichen Emilia-Romagna, 60 km von Bologna entfernt (eine Stunde mit dem Taxi oder Auto). Es gibt keine direkte Zugverbindung, aber alle drei Stunden fahren Züge nach Faenza. Von dort sind es noch 10 km bis Brisighella, die man mit dem Zug oder Taxi zurücklegen kann. Alternativ ist Brisighella auch von Florenz aus in anderthalb Stunden mit dem Auto über die SR 302 erreichbar.

In den 1290er Jahren wurde hier die Rocca Manfredini errichtet, gefolgt vom Uhrturm Torre dell'Orologio (15. Jahrhundert) und dem Heiligtum von Montseny, die zusammen ein dreieckiges, dominantes Element über dem historischen Zentrum bilden.

Die Stadt ist offiziell als eines der „Schönsten Dörfer Italiens“ gelistet. Brisighellas charakteristisches Merkmal ist die Via degli Asini („Eselstraße“), die durch ein System von Bogengängen verläuft.

Die moderne Wirtschaft der Stadt basiert auf der Produktion von Brisighella DOP-Olivenöl und Sangiovese di Romagna DOC-Wein. Der ländliche Agrotourismus entwickelt sich hier aktiv, jedoch gibt es keinen Massenansturm von Touristen: Laut Angaben der Stadt Ravenna empfängt Brisighella jährlich etwa 150.000 Besucher, von denen weniger als ein Drittel aus dem Ausland kommt.

Pietrapertosa und Castelmezzano (Basilikata)

Pietrapertosa und Castelmezzano liegen in der Provinz Potenza im Zentrum der Basilikata, auf einer Höhe von etwa 1000 Metern über dem Meeresspiegel. Obwohl Bari näher liegt, sind die Orte am einfachsten von Neapel aus zu erreichen. Busse und Züge fahren nur bis Potenza, von wo aus man ein Taxi oder einen Bus nehmen kann. In beiden Fällen schlängelt sich die Straße durch die Berge und bietet atemberaubende Ausblicke.

Diese Dörfer gehören zum Regionalpark Gallipoli Cognato e delle Dolomiti Lucane. Die Landschaft dort ist einzigartig: Sandsteinformationen bilden eine charakteristische, zerklüftete Formation, die an Miniatur-Dolomiten erinnert.

Das architektonische Erscheinungsbild der Städte wurde im Mittelalter geprägt: Die Häuser sind direkt in die Felsen hineingebaut, und das Straßennetz ist den steilen Hängen angepasst. In Pietrapertosa sind noch Fragmente einer normannischen Burg erhalten, und in Castelmezzano führt ein System aus Steintreppen und Terrassen zu Aussichtspunkten.

Beide Gemeinden sind für ihre Seilbahn bekannt, die die beiden Städte auf einer Höhe von bis zu 1.200 Metern verbindet. Die Attraktion wurde 2007 eröffnet und gilt als eine der höchsten Seilrutschen Europas. Trotzdem ist der Tourismus noch bescheiden: weniger als 80.000 bis 100.000 Besucher pro Jahr, die meisten davon Italiener.

Sulmona (Abruzzen)

Sulmona liegt in der zentralen Region Abruzzen im Tal des Flusses Gizzarno am Fuße des Maiella-Massivs. Von Rom aus erreicht man Sulmona in anderthalb Stunden mit dem Auto über die E80 oder in gut zwei Stunden mit Bus oder Bahn (ohne Umsteigen).

Im Mittelalter war Sulmona ein wichtiges Zentrum für den Wollhandel und die Metallverarbeitung und später einer der wirtschaftlichen Brennpunkte des Königreichs Neapel.

Das architektonische Zentrum der Stadt entwickelte sich zwischen dem 13. und 15. Jahrhundert. Die Hauptstraße, der Corso Ovidio, verbindet die Kathedrale San Panfilo mit der Piazza Garibaldi, wo die Messen und Feste der Stadt stattfinden. Zahlreiche Beispiele romanischer und gotischer Architektur sind erhalten geblieben, darunter das Aquädukt aus dem 13. Jahrhundert, die Kirche Santissima Annunziata und der Bogen San Francesco.

Die Stadt ist von den Naturschutzgebieten der Nationalparks Maiella und Gran Sasso e Monti della Laga umgeben, die Heimat seltener Tierarten sind, darunter der Apenninbär (Ursus arctos marsicanus). Laut ENIT machen ausländische Touristen maximal 15 % der Gesamtbesucherzahl aus, was jährlich etwa 80.000 bis 90.000 entspricht.

Bomarzo (Lazio)

Bomarzo liegt in der Provinz Viterbo in der Region Latium, 90 Kilometer nördlich von Rom. Mit dem Auto erreicht man den Ort in anderthalb Stunden, mit dem Regionalbus in 2,5 bis 3,5 Stunden. Es gibt keine Direktverbindungen, daher ist mindestens ein Umstieg in Viterbo einzuplanen. Auch mit dem Zug ist ein Umstieg erforderlich, allerdings in Orta.

Die Stadt entstand an der Stelle einer etruskischen Siedlung, deren archäologische Überreste noch heute in der Umgebung sichtbar sind. Die mittelalterliche Struktur des Zentrums bewahrt den für das Landesinnere Latiums typischen kompakten Grundriss mit engen Gassen und dichter Bebauung.

Das bedeutendste kulturelle Phänomen von Bomarzo ist der Monsterpark (Parco dei Mostri). Er entstand Mitte des 16. Jahrhunderts, erstreckte sich über etwa drei Hektar und beherbergte Ensembles monumentaler Skulpturen, die direkt in die Tuffsteinblöcke gehauen waren. Darunter befanden sich mythologische Monster, allegorische Figuren und architektonische Kuriositäten.

Der Park wurde im 20. Jahrhundert aufgegeben und erst in den 1950er Jahren wiederbelebt. Heute befindet er sich in Privatbesitz, ist aber öffentlich zugänglich. Laut Angaben der Gemeinde besuchen jährlich rund 120.000 Menschen den Park, deutlich weniger als vergleichbare Touristenattraktionen in Latium.

Was gibt es in Italien sonst noch zu sehen?

Obwohl die bekanntesten Beispiele kleine Städte im Landesinneren sind, gibt es auch in vielen anderen Teilen des Landes noch Gebiete abseits des Massentourismus. Diese Orte sind weniger abgelegen und teilweise in die touristischen Prozesse integriert, weshalb sie eine Überlegung wert sind:

  • Cefalù (Sizilien). Eine Stadt an der Nordküste Siziliens, die um eine normannische Kathedrale aus dem 12. Jahrhundert entstanden ist, die zum UNESCO-Weltkulturerbe gehört. Außerhalb der Sommersaison hat sich Cefalù den Charakter eines Fischerdorfes bewahrt, mit traditioneller Architektur und einer lokalen Küche, die sich auf Meeresfrüchte und sizilianische Weine konzentriert.
  • Castel del Monte (Apulien). Hier befindet sich eines der ungewöhnlichsten Baudenkmäler Italiens – die achteckige Burg von Kaiser Friedrich II., erbaut um 1240.
  • Cividale del Friuli (Friaul-Julisch Venetien). Die ehemalige Hauptstadt des Herzogtums Lombardei (6.–8. Jahrhundert) und eines der wichtigsten Zentren des frühen Christentums in Nordostitalien. Hier befindet sich eines der am besten erhaltenen Denkmäler lombardischer Architektur, das zum UNESCO-Weltkulturerbe gehört: der Tempietto Longobardo.
  • Termoli (Molise). Eine Hafenstadt an der Adriaküste, deren Altstadt Borgo Vecchio ihre Wehrmauern und den normannischen Turm bewahrt hat. Abseits der üblichen Touristenpfade gelegen, hat sich Termoli dennoch zu einem beliebten Ziel für Gastronomie- und Fischereitourismus entwickelt.
  • Comacchio (Emilia-Romagna). Eine Lagunenstadt inmitten der Kanäle des Po-Deltas, die historisch mit der Salz- und Aalgewinnung verbunden ist. Die Architektur Comacchios stammt aus dem 17. Jahrhundert und gilt oft als funktionale Alternative zu Venedig, fernab der Touristenmassen.

Fassen wir es zusammen

Auch abseits der bekannten Zentren bewahrt Italien seinen einzigartigen urbanen Charakter und Rhythmus. Laut Prognosen von ENIT werden bis 2027 bis zu 40 % der ausländischen Touristen in Italien kleinere und ländliche Gebiete bevorzugen – weniger wegen der niedrigeren Preise, sondern vielmehr aus dem Wunsch heraus, Italien abseits der ausgetretenen Touristenpfade zu erleben.

Nein, dies ist keine Ablehnung bekannter Routen, sondern eine Rückkehr zur ursprünglichen Bedeutung des Wortes Viaggio – „Weg“. Italien abseits der Touristenzentren bietet keine schnellen Erlebnisse, ist aber weniger überlaufen und hat eine lebendigere Atmosphäre.